Montag, 11. März 2024

Enthüllt: North Data und fehlerhafte Unternehmensinformationen - Landgericht Kiel urteilt

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North Data haftet für fehlerhafte Unternehmensinformationen, will davon aber nichts wissen

„Unverhofft kommt oft“, lautet eine der Weisheiten, über die man als aufgeklärter Zeitgenosse gerne schmunzelt, bis es einen selbst erwischt. Stellen Sie sich vor, Sie sind Geschäftsführer eines soliden mittelständischen Unternehmens und werden von einem Geschäftspartner gefragt, ob es stimme, dass Ihr Unternehmen wegen Vermögenslosigkeit gelöscht werden soll. Wie reagieren Sie? Nehmen wir einmal an, Sie kippen nicht sofort vom Stuhl, sondern fragen zurück, wie Ihr Geschäftspartner in aller Welt darauf käme? Seine Antwort: So stehe es auf dem Portal www.northdata.de. Und nun?

Vor dieser Frage stand ein norddeutsches Familienunternehmen, das Wintergärten und Terrassendächer baut und vertreibt. Das Unternehmen reagierte umgehend. Es forderte North Data auf, die Falschinformation zu beseitigen und sich zu verpflichten, diese nicht nochmals zu verbreiten. Das ist nicht mehr als recht und billig, denken Sie? North Data sah es anders. Das Unternehmen löschte zwar die Fake-Nachricht über die angebliche Vermögenslosigkeit, weigerte sich aber, eine Unterlassungserklärung abzugeben. Das Argument: North Data habe keine eigenen Inhalte generiert, sondern nur öffentlich zugängliche Informationen aufbereitet und dargestellt.

Glücklicherweise ließ sich das betroffene Unternehmen mit dieser Auskunft nicht abspeisen, sondern verklagte North Data auf Unterlassung vor dem Landgericht Kiel. So kam heraus, dass North Data sich mit zwielichtigen Methoden um seine Verantwortung drückt. Und die sind mindestens so kritikwürdig wie die ursprüngliche Fehlermeldung selbst.

Angebahnter Prozessbetrug vor dem Landgericht Kiel

Bereits 2018 war North Data ein folgenschwerer Fehler bei der Aufbereitung öffentlicher Unternehmensinformationen unterlaufen. Mehrere Jahresergebnisse eines mittelständischen Unternehmens waren mit umgekehrtem Vorzeichen wiedergegeben worden, mit Verlusten im sechsstelligen Bereich – statt mit entsprechenden Gewinnen. Zur Rede gestellt, hatte North Data sich exakt gleich verhalten: Auf die Abmahnung hin wurde die falsche Information korrigiert. Gleichzeitig weigerte sich North Data aber, eine Unterlassungserklärung abzugeben. Im Prozess vor dem Landgericht Düsseldorf wurde die Klage auf Unterlassung im Januar 2019 abgewiesen. In der Berufungsinstanz hob das Oberlandesgericht Düsseldorf das Urteil im März 2021 auf und verurteilte North Data zur Unterlassung. In einem Hinweisbeschluss hatten die Richter zuvor ausführlich begründet, weshalb sie – richtigerweise – von einer Verantwortung North Datas für die von dem Unternehmen veröffentlichten Wirtschaftsinformationen ausgingen.

Spätestens seit März 2021 war North Data also bekannt, dass sein Standpunkt, das Unternehmen hafte nicht für von ihm aufbereitete fehlerhafte Informationen, vor Gericht keinen Bestand hatte. Doch was behauptete North Data im Prozess vor dem Landgericht Kiel mehr als zwei Jahre später? Ahnen Sie es schon? Wenn ja, Glückwunsch für Ihr kriminologisches Gespür! Tatsächlich ließ North Data seinen Prozessbevollmächtigten vortragen, es gebe eine Referenzentscheidung aus dem Jahr 2019, aus der zu ersehen sei, dass North Data für Fehler, die bei der eigenen Aufbereitung öffentlich zugänglicher Informationen unterliefen, nicht hafte. Sie lesen richtig: North Data bzw. sein Prozessbevollmächtigter – der auch im damaligen Berufungsverfahren von North Data mandatiert worden war –  taten schlicht und einfach so, als gebe es das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf aus dem Jahr 2021 gar nicht!

Falls Sie jetzt immer noch nicht aus dem Stuhl gekippt sind, gehören Sie vermutlich zu denjenigen, die das Bonmot schätzen: „Was sind 100 Anwälte am Grunde des Ozeans? Ein guter Anfang.“ Aber es geht nicht nur um mangelndes Berufsethos bei manchen Rechtsanwälten. Auf seiner Webseite beruft sich North Data auf ein klares Leitbild: Für einen guten Kaufmann hat es sich seit jeher gehört, sich über potenzielle Geschäftspartner gründlich zu informieren, damit man bei der Kontaktaufnahme weiß, mit wem man es zu tun hat. Globale Geschäfte in Echtzeit machen eine umfassende Auskunft heute nicht unwichtiger, sondern für alle Stakeholder noch viel relevanter. Das ist nicht falsch. Was fehlt, ist die Erkenntnis, dass zu einem guten Kaufmann auch gehört, die Verantwortung für eigene Fehler zu übernehmen.

Die Entscheidung des Landgerichts Kiel

Das Landgericht Kiel stellte sich in seinem am 29. Februar 2024 erlassenen Urteil auf den Rechtsstandpunkt der Klägerin und verurteilte North Data zur Unterlassung. Es betrachtete den Portalbetreiber als unmittelbaren Störer, weil das Unternehmen sich zur Beantwortung von Suchanfragen einer eigenen Software bedient und damit Informationen extrahiert und in aufbereiteter Form veröffentlicht habe. North Data könne sich aufgrund der Vorgehensweise und der Außendarstellung nicht darauf zurückziehen, keine eigene Behauptung aufgestellt zu haben. Auch bediene sich das Unternehmen bewusst zur Beantwortung von Suchanfragen einer künstlichen Intelligenz. Es müsse folglich dafür einstehen, wenn diese unzulänglich programmiert worden sei. Der Fall sei vergleichbar mit dem Betreiber eines Portals, der sich aus Sicht eines verständigen Durchschnittsnutzers die Inhalte Dritter zu eigen gemacht und dafür nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung übernommen habe.

Fazit: trau, schau, wem

Das Geschäftsmodell von North Data mag seriös sein, das prozessuale Verhalten des Unternehmens ist es nicht. Spätestens nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf wäre zu erwarten gewesen, dass das Unternehmen die volle Verantwortung für Fehler übernimmt, die ihm bei der Aufbereitung von Unternehmensinformationen unterlaufen. Dass North Data fast drei Jahre später versucht, einem betroffenen Unternehmen und dem erkennenden Gericht Sand in die Augen zu streuen, lässt nichts Gutes erahnen. Wie vielen Unternehmen mag durch Fehler von North Data ein Reputationsschaden entstanden sein, gegen den sie sich nicht zu wehren gewagt haben? Wie vielen Gerichten wurden angebliche Referenzentscheidungen untergejubelt?

Die unten angegebenen Verfahren sollten Unternehmen, die von Fehlinformationen der Plattform North Data betroffen sind, in ihrer Argumentation berücksichtigen, um sich nicht ins Bockshorn jagen zu lassen. Das jüngste Urteil des Landgerichts Kiel ist zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beitrags zwar noch nicht rechtskräftig. Die Aussichten für eine erfolgreiche Berufung seitens North Data dürften aber eher schlecht sein.

Quellen

LG Kiel, Urt. v. 29.02.2024, Az. 6 O 151/23 (n. rechtskr.)

LG Düsseldorf, Urt. v. 29.01.2019, 12 O 163/19

OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.03.2021, 1-16 U 136/20


Verfasst von: Gregor Kuntze-Kaufhold | Kommentare (0)

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