Dienstag, 12. März 2024

Erneute Kritik des BRH am Management der Energiewende: Versorgungssicherheit gefährdet

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„Seit unserer letzten Bilanz hat sich zu wenig getan, um die Energiewende erfolgreich zu gestalten. Das ist ernüchternd. Die Bundesregierung steuert den Transformationsprozess weiterhin unzureichend. Das gefährdet eine sichere und bezahlbare Stromversorgung. Mehr noch: Die Energiewende droht Privathaushalte und Unternehmen finanziell zu überfordern.“ Diese Feststellung stammt vom Bundesrechnungshof (BRH), allerdings nicht, wie man vermuten könnte, aus diesem Jahr, nein, dies ist die Bewertung aus seinem Bericht zur Umsetzung der Energiewende im Hinblick auf die Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit bei Elektrizität an den Deutschen Bundestag aus dem Jahr 2021.

Diese Erwähnung ist wichtig, weil sie sich dieses Urteil in verschärfter Form auch im aktuellen Bericht des BRH zur Energiewende findet. Das ist kein gutes Zeichen für die derzeitige Ampel-Regierung, verdeutlicht aber, dass die Ursachen des Problems nicht von ihr geschaffen wurden. Ganz im Gegenteil, denn bereits im September 2016 hatten wir einen Beitrag mit dem Titel ‘BMWi – Das Wunder des Stromnetzausbaus’ veröffentlicht (Mi 19/2016), dessen Kritik sich 2018 auch im damaligen Sonderbericht des BRH wiederfand. Seinerzeit war BRH-Präsident Kay Scheller Gast der markt intern-Gesamtredaktionskonferenz. In der Diskussion hatte er noch die Hoffnung, die Kritik des BRH könne der Regierung bei der Bewältigung der Umsetzungsprobleme Beine machen: „Jetzt haben die Abgeordneten des Bundestages Gelegenheit, mit unseren Erkenntnissen zu arbeiten, Debatten zu führen und der Bundesregierung Fragen zu stellen. Das kann die Öffentlichkeit übrigens auch. Dass Sie da so wachsam sind, freut mich sehr“  (vgl. Mi 25/18).

Doch diese Hoffnung war trügerisch, wie zunächst der Bericht 2021 zeigte. Anlass für die Prüfung des BRH 2021 waren die aus seiner Sicht „bedeutenden Entwicklungen, die sich auf das Angebot und die Nachfrage von Elektrizität auswirken“. Konkret nannte der BRH das im Oktober 2019 beschlossene Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung und die Gesetze zur Beendigung der Kohleverstromung vom August 2020. Das Ergebnis 2021 war gleichwohl für die damalige GroKo vernichtend: „Die Bundesregierung hat den geplanten Kohleausstieg bislang nicht richtig berücksichtigt. Das hinterlässt eine Kapazitätslücke von bis zu 4,5 Gigawatt – die Leistung von vier großen konventionellen Kraftwerken. Gleichzeitig verursachen die neuen Pläne zur Wasserstoffgewinnung einen erheblichen Strommehrbedarf. Dieser muss gedeckt werden. Außerdem haben der stockende Netzausbau und eingeschränkte grenzüberschreitende Austauschkapazitäten Einfluss auf eine sichere Versorgung. Zudem muss das BMWi für seine Berechnungen auch Jahre mit extremem berücksichtigen, in denen Wind und Sonne erheblich weniger Strom erzeugen.“

Weitere drei Jahre später gibt es einen neuen Sonderbericht des BRH zur Umsetzung der Energiewende (‘Energiewende nicht auf Kurs: Nachsteuern dringend erforderlich’). Und auch der fällt vernichtend aus. Angesichts der Vorgeschichte klingt es eher sarkastisch, dass Scheller bei der Vorstellung des Berichts feststellte: „Die Bundesregierung sollte unsere Prüfungsfeststellungen zum Anlass nehmen, die aufgezeigten Defizite zu beseitigen.“ Geradezu erschreckend ist die Erkenntnis des BRH: „Über die Versäumnisse der damaligen Bundesregierung bei der Energiewende haben wir zuletzt im Jahr 2021 berichtet (mehr dazu hier). Seitdem haben sich die Risiken in allen Bereichen der Energiepolitik verschärft.“

Den vollständigen aktuellen Bericht finden Sie hier. Wir wollen an dieser Stelle daher nur die ärgsten Feststellungen kurz aufgreifen. So heißt es beispielsweise zu den Kosten: „Die Energiewende ist mit massiven Kosten verbunden, weitere Preissteigerungen sind absehbar. Allein für den Ausbau der Stromnetze werden bis 2045 Investitionen von mehr als 460 Milliarden Euro notwendig sein (mehr als viermal so viel wie im Zeitraum 2007 bis 2023).“ Für eine Regierung mit maßgeblicher Beteiligung von Bündnis 90/Die Grünen kommt die nachfolgende Passage einer schallenden Ohrfeige nahe: „Die Bundesregierung kann nicht garantieren, dass die Energiewende die Umwelt so wenig wie möglich belastet. Denn für viele Umweltfolgen der Energiewende liegen keine oder nur unzureichende Daten vor.“

Auch das Fazit zur Versorgungssicherheit ist im Ergebnis vernichtend: „Die Stromerzeugung durch Photovoltaik und Windanlagen unterliegt Schwankungen, sodass es zu Versorgungslücken kommen kann. Deshalb ist der Zubau ausreichender gesicherter, steuerbarer Backup-Kapazitäten bis zum Jahr 2030 von zentraler Bedeutung. Diesen muss das BMWK gewährleisten. Mit der Kraftwerksstrategie 2026 wird ihm das aber nicht gelingen, denn die darin vorgesehenen 10 GW H2-ready-Gaskraftwerke werden nicht ausreichen. Auch die Ausgestaltung eines zusätzlich geplanten Kapazitätsmechanismus für weitere Leistung ist noch offen. So ist nicht sichergestellt, dass die erforderlichen Backup-Kapazitäten rechtzeitig verfügbar sind.“

Wer dies alles liest, könnte auf den Gedanken kommen, der BRH lehne die Energiewende grundsätzlich ab. Doch dies ist nicht der Fall. Dass eine Umsteuerung betrieben wird, kritisiert der BRH nicht. Dies ist Folge der von früheren Bundesregierungen eingegangenen internationalen Verpflichtungen. Allerdings kann die Energiewende nur funktionieren, wenn sie auch unter Beachtung physikalischer und planerischer Gegebenheiten gut gemanagt wird. Und daran fehlt es seit mindestens acht Jahren! Der BRH muss von Amts wegen optimistisch sein, seine Bewertungen würden von der Regierung berücksichtigt. Nur so lässt sich sein Appell verstehen, die „Bundesregierung sollte unsere Prüfungsfeststellungen nutzen, um die aufgezeigten Defizite abzustellen“. Uns fehlt die Überzeugung, es könne dazu kommen.

Dass Bundeswirtschafts- und Klimaminister Dr. Robert Habeck den BRH für seinen Bericht tadelt, liegt in der Natur der Sache. Seine Bewertung, der Bundesrechnungshof habe eine „erstaunliche Wahrnehmung“, die nichts mit der Wirklichkeit zu tun habe, ist gleichwohl erstaunlich. Wer im Glashaus sitzt, sollte ja nicht mit Steinen werfen. Dass nun allerdings der klima- und energiepolitische Sprecher der Unionsfraktion, Andreas Jung, von einem „verheerenden Zeugnis“ der Behörde für die Bundesregierung sprach, ist bei der Vorgeschichte des Gutachtens beschämend. Vielleicht sollte die Union mal bei Peter Altmaier nachfragen, wie er die Energiewende gemanagt hat.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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