Donnerstag, 14. März 2024

IfM Bonn fordert Paradigmenwechsel für effektiven Bürokratieabbau

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Gestern hat das Bundeskabinett das Bürokratieentlastungsgesetz IV (BEG IV) beschlossen. Die Ampel feiert in Person von Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann dieses Gesetzespaket und die zuvor bereits umgesetzten Meseberger Beschlüsse als das „größtes Bürokratieabbauprogramm, das es in Deutschland je gab“. Nach Ansicht des IfM Bonn, das sich seit Jahren wissenschaftlich intensiv mit der Bürokratie beschäftigt, bedarf es aber zur wirksamen Bürokratieentlastung der Unternehmen eines kompletten Umdenkens. Das Institut empfiehlt der Regierung, sich insoweit auch an der vorbildhaften Praxis in Großbritannien und den Niederlanden zu orientieren.

In einem aktuellen Positionspapier von Michael Holz und der Präsidentin des IfM, Prof. Dr. Friederike Welter, betonen die beiden Autoren zunächst, hochkomplexe Volkswirtschaften und Gesellschaften benötigten zur Sicherstellung ihrer Funktionsfähigkeit Regulierungen. Diese gewährleisteten Rechts- und Planungssicherheit und verhinderten Korruption. Jedoch scheine auf Seiten der KMU das hinnehmbare Ausmaß der Bürokratie inzwischen weit überschritten zu sein. Dabei sei nicht nur die Belastung der Unternehmen beim Zeit- und Kostenaufwand zu berücksichtigen. Mindestens ebenso hohe Bedeutung komme den psychologischen Kosten, den Opportunitätskosten und den Folgewirkungen auf Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit zu.

Besonders bedenklich sei, dass Bürokratie einem Großteil der Unternehmer die Freude an der unternehmerischen Tätigkeit nehme. Die mangelnde Verhältnismäßigkeit, Sinnhaftigkeit und Praxistauglichkeit der Regelungsinhalte führe dazu, dass die Unternehmer sich nicht (mehr) in der Lage sähen, alle Rechtsvorschriften zu erfüllen. Stattdessen praktizierten sie „autonomen Bürokratieabbau“, d. h. sie setzten einzelne Vorschriften bewusst nicht um. Würde dieser Negativentwicklung nicht mit wirksamen Maßnahmen begegnet, bestehe die Gefahr, dass die realwirtschaftlichen und „atmosphärischen“ Auswirkungen sowohl auf individueller Unternehmensebene als auch gesamtwirtschaftlich zunehmend spürbar würden, mahnen die Autoren.

Um eine spürbare Reduzierung der Bürokratiebelastung für KMU zu erreichen und einen Rechtsrahmen bereitzustellen, der Innovation, Wachstum und gesellschaftlichen Wohlstand ermöglicht, reiche es nicht aus, punktuell und auf ad-hoc Basis KMU-Belange zu berücksichtigen. Stattdessen, so die Forderung der Wissenschaftler, sollte das der europäischen KMU-Politik zugrunde liegende Prinzip „Think/Act Small First“ im Sinne eines Paradigmenwechsels im gesamten Regulierungskreislauf praktiziert werden.

So dürfe der Optionenspielraum nicht bereits am Beginn des Regulierungskreislaufs verengt werden, indem z. B. nur gesetzliche Lösungen oder nur ein bestimmter Lösungsweg in Erwägung gezogen würden. Auch die Fachministerien müssten – ähnlich wie es bereits in Großbritannien praktiziert werde – verpflichtet werden, verschiedene Handlungsalternativen in Kooperation mit relevanten Stakeholdern zu entwickeln und zu prüfen. Die KMU und Verbände sollten zudem explizit als Mitgestalter („Co-Owners“) in die Verantwortung genommen und aktiv mit tatsächlichen Lösungsbeiträgen eingebunden werden. In den Niederlanden hätten sich beispielsweise sog. KMU-Tests (kurze Online-Meetings mit ausgewählten Unternehmern) bewährt, die die Praxistauglichkeit und Verhältnismäßigkeit neuer Gesetzesvorhaben gewährleisteten. Die Bürokratiebelastung habe auch dadurch spürbar verringert werden können, dass in Kooperation mit KMU aus verschiedenen Branchen diejenigen Gesetze identifiziert und vereinfacht würden, die die größten Kosten- und Umsetzungsbelastungen hervorriefen.

Gesetze sollten grundsätzlich aus der Perspektive von KMU verfasst und eventuelle Spezialregelungen für Großunternehmen hinzugefügt werden, lautet eine weitere Empfehlung des IfM. Einzelne Länder wie Großbritannien gingen zunehmend von herkömmlichen „Command and Control“ hin zu risikobasierten „Enable and motivate“-Ansätzen über („Risk-based Regulation“). Dabei unternähmen Behörden und Unternehmen – risikobasiert – gemeinsame Anstrengungen, um wichtige Schutzziele partnerschaftlich und im vertrauensvollen Informations- und Erfahrungsaustausch zu erreichen, wobei sogenannte „schwarze Schafe“ sanktioniert werden müssten. Dieses Vorgehen verbessere nicht nur die effektive Zielerreichung, sondern baue zugleich Bürokratie ab und entsprecht zudem eher den Vorstellungen, wie Staat, Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger im 21. Jahrhundert interagieren und kooperieren sollten. Wir fügen mal hinzu: Ein Konzept, das der Forderung des CDU-Generalsekretär Dr. Carsten Linnemann recht nahe kommt: „Einfach mal machen.“

Recht schmerzhaft dürfte für die Ampel der Hinweis des IfM auf den gänzlich anderen Bürokratieansatz in Großbritannien klingen. Dort, so formulieren Holz und Welter, konzentriere sich der wirtschaftspolitische Diskurs weniger auf kleinteilige Bürokratie mitsamt der statischen Kategorien des Zeit- und Kostenaufwands. Im Zentrum stehe vielmehr die Bedeutung des Regulierungssystems als dynamischer Wettbewerbsfaktor im internationalen Standort- und Innovationswettbewerb. Auch in der EU sollte der Regulierungsansatz so neugestaltet werden, dass er zum Wohle der Gesellschaft und der Gesamtwirtschaft Unternehmertum und Innovationen fördere und stimuliere. Eine so interpretierte Regulierung würde weniger obrigkeitsstaatlichen Überwachungs- und Kontrollzwecken dienen, sondern sei als „Regulation as a Service“ eine wesentliche Rahmenbedingung zur Förderung von Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit.

Die Bundestagsabgeordneten hätten im parlamentarischen Prozess zur Verabschiedung des BEG IV die Chance, mit diesem Paradigmenwechsel anzufangen. Wir befürchten allerdings, für die Ampel ist diese Herausforderung zu groß und die Union alleine kann es parlamentarisch nicht umsetzen.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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