Donnerstag, 28. März 2024

BRH kritisiert missbräuchliche Verwendung staatlicher Mittel beim Social-Media-Auftritt der Bundestagsfraktionen

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Die Diskussion um die Verwendung staatlicher Mittel der Bundestagsfraktionen für Zwecke der eigenen Partei ist kein neues Thema. Sie hat den Bundesrechnungshof (BRH) schon in der Vergangenheit häufiger beschäftigt. Aktuell hat er sich dieser Frage unter einem besonderen Blickwinkel in einem Sonderbericht angenommen: der Nutzung sozialer Medien durch die Fraktionen. Das Ergebnis kann nicht überraschen, ist gleichwohl ein Skandal. „Die Fraktionen des Deutschen Bundestages setzen bei der Nutzung von Social Media Bundesmittel auch zweck- und damit auch regelwidrig ein. Der geltende Rechtsrahmen für die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen begünstigt dies. Er sollte reformiert werden", fasst der Präsident des BRH, Kay Scheller, das Ergebnis des Sonderberichts zusammen.

Plattformen wie X (ehemals Twitter), Facebook, YouTube und Instagram dienten als wichtige Kanäle, um mit Bürgerinnen und Bürgern in Kontakt zu treten, politische Botschaften auszusenden und öffentliche Debatten anzuregen, stellt der BRH fest. Entsprechend habe auch die Nutzung von Social Media durch die Fraktionen des Deutschen Bundestages in den letzten Jahren stark zugenommen. Folglich seien Bundesmittel, die für Fraktionsaufgaben vorgesehen sind, auch in Social-Media-Aktivitäten geflossen. Der BRH hat deshalb untersucht, wie die Fraktionen ihre Social-Media-Auftritte unmittelbar vor der letzten Bundestagswahl genutzt haben. Das Ergebnis: Die meisten Posts seien unzulässig gewesen, weil sie nicht oder nicht nur über die Tätigkeiten der Fraktionen informierten oder sogar direkte Parteien- oder Wahlwerbung enthielten.

Überraschend ist dies schon deshalb nicht, weil, so der BRH, „effektive Sanktionsmechanismen fehlen“. So seien die Fraktionen beispielsweise nicht verpflichtet, „zweckwidrig verwendete Gelder zurückzuzahlen oder unzulässige Posts zu entfernen“. Auch dies ist vergleichsweise logisch, denn die Fraktionen bestimmen als Teil des Gesetzgebers selbst über diese Mittel. Da die Fraktionen und ihre Abgeordneten ein starkes Eigeninteresse an guten Wahlergebnissen ihrer Parteien hätten, weil dies ihre Chancen auf einen Wiedereinzug in den Bundestag und damit auf eine Regierungsbeteiligung erhöhe, sei der Anreiz groß, sich hier üppig zu bedienen. Die Fraktionen erhalten zusammen derzeit jährlich rund 140 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt.

Besonders deutlich wird diese Mentalität anhand der Antworten der Fraktionen, die der BRH zu seinen Prüfmitteilungen erhielt. Aus ihnen werde deutlich, moniert der BRH,  „dass diese zwar alle die Prämisse des Bundesrechnungshofes teilen, dass das Abgeordnetengesetz keine grenzenlose Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen zulässt. Sie ziehen die Grenzen jedoch so weit, dass sie im Ergebnis nahezu alles zulassen.“ Geradezu frustriert stellt der Bericht fest, aus der Gesamtschau aller Stellungnahmen der Fraktionen zu der Prüfung des Bundesrechnungshofes sowie aus dem Gesetzentwurf einer Fraktion (CDU/CSU, Anm. Red.) ergebe sich, „dass sich alle Fraktionen dem Grunde nach über die Notwendigkeit einig sind, die aus Fraktionsmitteln finanzierte Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen von Parteiarbeit abzugrenzen. Dazu, wie diese Abgrenzung konkret aussehen könnte, hat bislang aber keine Fraktion einen praktikablen Vorschlag vorgelegt.“

Erschwerend oder begünstigend – je nach Blickwinkel – kommt hinzu, dass die staatliche Finanzierung der Fraktionen im Gegensatz zur Parteienfinanzierung nicht begrenzt ist. Über die Höhe der Fraktionsmittel kann der Haushaltsgesetzgeber selbst entscheiden. Hier bestehe eine Gefahr, moniert der BRH, „dass sich die Fraktionen im Ergebnis Mittel bewilligen, die sie auch für Parteiaufgaben einsetzen“. Der Gesetzgeber solle klarstellen, fordert der BRH, „dass die Prüfung und Anwendung von Sanktionen Aufgaben der Verwaltung des Deutschen Bundestages sind“. Dies dürfte allerdings ein frommer Wunsch sein. Denn bisher blieb der Gesetzgeber bei der Thematik immer ruhig. So hatte auch der skandalöse Vorgang um die Liquidierung der FDP-Bundestagsfraktion des Jahres 2013 (vgl. Mi 22/2018) kein Tätigwerden des Gesetzgebers zur Folge. Auch damals hatte der BRH eine gesetzliche Regelung angemahnt und einen Sonderbericht erstellt.

Gleichwohl bleibt dem BRH auch hier nur der Appell an den Gesetzgeber. Andere Mittel hat er nicht. Der Gesetzgeber, so seine Mahnung, „sollte einen rechtssicheren Rahmen schaffen, der die Nutzung von Social Media durch die Fraktionen klar regelt und Sanktionen bei Verstößen vorsieht. Dabei muss klar getrennt werden zwischen der Informationsarbeit über Tätigkeiten der Fraktionen und parteipolitischen Inhalten, um verdeckte Parteienfinanzierung zu verhindern. Denn: Der aktuelle Zustand gefährdet letztlich die verfassungsrechtliche Legitimation der Fraktionsfinanzierung“. Sein Fazit ist nicht minder drastisch: „Die gegenwärtige, unzureichende Rechtslage ermöglicht es den Fraktionen, ihre Mittel im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit weitgehend sanktionslos auch für Parteiaufgaben zu verwenden. Dies haben die Prüfungen des Bundesrechnungshofes gezeigt. Sie erleichtert so die Umgehung des Verbots der verdeckten Parteienfinanzierung. Während das Bundesverfassungsgericht die Begrenzung staatlicher Parteienfinanzierung erst kürzlich nochmals ausdrücklich betont hat, können die Fraktionen über die Höhe ihrer jährlichen Geldleistungen aus dem Bundeshaushalt frei entscheiden. Vor allem im Zusammenhang mit Wahlen kann die Finanzierung der Fraktionen deshalb das verfassungsrechtliche Gebot der Chancengleichheit der Parteien verletzen.“


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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