Freitag, 12. Januar 2024

Nordrhein-westfälisches Handwerk steht vor schwierigen Zeiten

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Bereits im Januar des letzten Jahres hatten wir in unserem Bericht über die Geschäftsentwicklung des nordrhein-westfälischen Handwerks angemerkt, die goldenen Zeiten, in denen das Handwerk vor Kraft kaum laufen konnte, seien erst einmal vorbei. Und dieser Befund bestätigt sich in diesem Jahr erneut. So stellte Andreas Ehlert, Präsident von HANDWERK.NRW, bereits eingangs bei der heutigen Vorstellung der aktuellen Wirtschaftsdaten des nordrhein-westfälischen Handwerks fest: „Aus Sicht des Handwerks fällt die Bilanz des Jahres 2023 sehr kritisch aus und wir blicken sehr skeptisch auf das neue Jahr.“

Gründe dafür gibt es aus Ehlerts Sicht reichlich. Da ist zunächst einmal die allgemeine Stimmung im Land. Deutschland stecke, so Ehlert, „in einer veritablen Krise“. Das spürten die Menschen, bei denen zugleich das Vertrauen schwinde, „dass die Politik die richtigen Weichen stelle“. Und das gelte „nicht nur für die Ampel-Koalition in Berlin“. An fünf Punkten machte dies Ehlert fest: • Die sicherheitspolitischen Risiken wüchsen. Es stelle sich jedoch die Frage, ob der Westen insgesamt und die Bundesrepublik darauf vorbereitet sei • Das Land lebe über seine finanzpolitischen Verhältnisse. Der Staat müsse auf Dauer ausgeglichene Haushalte vorweisen und dürfe nicht dauerhaft Belastungen auf zukünftige Generationen verschieben. Überzogene Staatsverschuldung dürfe nicht zur Routine werden.

Deutschland versage bei der • Bildungspolitik und der Steuerung • der Migration und Integration. Qualifizierte Zuwanderer könnte Teil der Lösung sein, aber wir täten uns schwer, gerade für diese Zielgruppe attraktiv zu sein. Zudem agierten wir zu umständlich, um diejenigen zu integrieren, die schon länger hier seien. Schließlich drohten wir auch beim Versuch der • Transformation der Wirtschaft zu scheitern. Die Ziele seien überambitioniert. Es bestehe „die akute Gefahr, dass wir Unternehmen und Bürger überfordern und dass wir die ehrgeizigen Ziele trotzdem verfehlen“.

Vor diesem Hintergrund vermag es nicht zu überraschen, dass Ehlert zur wirtschaftlichen Lage des Handwerks feststellte, sie „spitzt sich zu“. Insbesondere die Bauwirtschaft, die für 50 Prozent der handwerklichen Umsätze stehe, leide unter den rückläufigen Aufträgen. Das Handwerk habe 2023 nominell stärkere Umsatzeinbrüche zu verzeichnen als die Gesamtwirtschaft. Auch bei der Zahl der Beschäftigten habe sich das Handwerk von der allgemeinen Entwicklung entkoppelt. Während die Gesamtwirtschaft insgesamt Personal aufgebaut habe, habe das Handwerk Beschäftigte verloren. Erwartungsgemäß fiel auch die Prognose auf dieser Basis eher düster aus: Die Rezession dürfte sich fortsetzen und das Wachstum nur „minimal ausfallen“, so die Prognose von HANDWERK.NRW.

Von der Politik im Bund wie im Land erwartet das Handwerk eine klare und massive Stärkung beim Wohnungsbau. Es hat dazu ein 13-Punkte umfassendes Handlungskonzept vorgelegt. Es müsse alles getan werden, was die Baukosten senke. Dazu gehöre in NRW auch die Absenkung der Grunderwerbsteuer. Die Energiepolitik müsse auf das Machbare konzentriert werden. Es brauche verlässliche und bezahlbare Energie, nicht nur für Konzerne (Stichwort Industriestrompreis), sondern gerade auch für Handwerker. Sie seien oft „ebenfalls energieintensive, wenn auch häufig nur kleine Unternehmen“. Die Politik müsse sich ehrlich machen, „wie die Energieversorgung unter den gegebenen Bedingungen gelingen kann“.

Es brauche schnellsten eine konsistente Wärmepolitik. Wichtig dafür seien die Einbindung des örtlichen Handwerks, der Verzicht auf Anschluss- und Benutzungszwänge bei der Fernwärme, Technologieoffenheit sowie ein ganzheitlicher Blick auf die Energieeffizienz eines Gebäudes. Wärme, die gar nicht erst erzeugt werden müsse, sei die beste Wärmepolitik. Vor allem dürfe die Wärmeplanung nicht dazu führen, dass Stadtwerke durch Aufkauf von Handwerksbetreiben selbst zum Dienstleister gegenüber den Endkunden würden. Erste Stadtwerke hätten bereits entsprechende Aktivitäten entwickelt, wie Hauptgeschäftsführer Prof. Dr. Hans-Jörg Hennecke berichtete.

Ganz besonders liegt dem Handwerk aber der Bürokratieabbau am Herzen. Nach den Zahlen des Nationalen Normenkontrollrates hätten die Berichtspflichten der Unternehmen allein zwischen Juli 2022 und Juni 2023 um 54 Prozent zugenommen (vgl. unseren Bericht zum Jahresbericht des NKR). Es müsse endlich durchgesetzt werden, dass Unternehmensdaten, die mehrfach benötigt werden, dem Staat nur einmalig zur Verfügung gestellt werden müssten. Maßstab für die Regulierung müsse sein, ob kleine Unternehmen sie verkraften können. Generell gelte: „Entlasten ist besser als Fördern“. Förderprogramme seien häufig ineffizient, ungenau, dafür aber sehr arbeitsintensiv bei der Beantragung. Speziell an die Landesregierung richtete Ehlert den Appell, das schon häufiger zugesagte Initiativrecht der Clearingstelle Mittelstand, die Garrelt Duin 2013 als Landwirtschaftsminister eingeführt hatte, endlich umzusetzen, damit die Clearingstelle von sich aus Maßnahmen zum Bürokratieabbau vorschlagen könne.

Zu guter Letzt kam Ehlert dann auch noch auf das Megathema Fachkräftemangel zu sprechen. Es ist nicht so, dass es nicht schon seit Jahren Diskussionen darüber gäbe, wie er zu beheben sei, nur passiert vergleichsweise wenig. Ein dem Handwerk hier besonders am Herzen liegendes Anliegen ist die tatsächliche Gleichstellung beruflicher und akademischer Bildung. Es sei da durchaus schon einiges passiert, aber am Ende bleibe noch viel zu tun. So sei zwar der Meister jetzt dem Bachelor als Abschluss gleichgestellt, nur werde der Bachelor im öffentlichen Dienst immer noch höher vergütet als der Meister. Dagegen sei die vom Land eingeführte Kleine Bauvorlagenberechtigung ein gelungenes Beispiel für die Gleichstellung der Ausbildungswege. Nun könne nicht nur ein studierter Architekt, sondern auch ein Maurer, der sich zum Meister fortgebildet habe, einen Bauantrag stellen.

Aufmerksamen Lesern der Analyse des Handwerks, woran es in diesem Land krankt, sowie der daraus abgeleiteten politischen Forderungen wird nicht entgehen, dass viele davon sich auch in unserm MANIFEST 2025 für den Mittelstand wiederfinden. Wäre also schön, wenn die Politik sich auch mit dem Manifest beschäftigen würde. Alles in allem könnte man angesichts dieses Befundes zur Lage des Handwerks auf die Idee kommen, das Handwerk solle sich ein Beispiel an den Bauern nehmen, um seinen Anliegen via Straßenblockade zum Durchbruch zu verhelfen. Die Belastungen vieler Handwerksbetriebe sind sicher nicht geringer als die vieler Landwirtschaftsbetriebe. Doch soweit will das Handwerk nicht gehen. Man habe dies in den Gremien intensiv diskutiert, antwortete Ehlert auf unsere entsprechende Frage. Man glaube aber nicht, dass derartiger Protest erfolgreicher sei als der konsequente Austausch mit der Politik. Allerdings werde diese Haltung erschwert, wenn die Menschen erfahren müssten, dass Regelungen allein aufgrund massiver Proteste zurückgenommen würden. Das Handwerk rufe jedenfalls nicht zu öffentlichen Protesten auf. Wird die Bauern aber kaum von ihrem weiteren Protest abhalten.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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